LÖWENKINDER
Der ukrainisch-jüdische Friedensaktivist, sein deutscher Urenkel und wie man als Russe zum Familienduell kommt. – Ein Theaterstück über eine besondere Migrationsgeschichte
Text & Performance: Nikita Gorbunov
Schauspiel: Max Böttcher
Regie: Boglárka Pap
Bühnen- und Kostümbild: Line Sexauer
„Als mein Urgroßvater Lew so alt war wie ich, saß er schon seit Jahren im GULAG für ‚Mitleid mit dem Feind‘ – er hatte sich für deutsche Zivilisten eingesetzt. Und das obwohl die Nazis seine Großeltern in Babyn Jar ermordet haben.“
Mit dem Theaterprojekt „Löwenkinder“ beleuchtet der Stuttgarter Autor Nikita Gorbunov das bemerkenswerte Leben seines Urgroßvaters Lew Kopelew. Der Werdegang des bekannten Humanisten aus Kyjiw, Moskau und Köln, prägt nicht nur die persönliche Migrationsgeschichte von Gorbunovs Familie, sondern wirft ein besonderes Licht auf das Selbstbild Deutschlands.
„In Köln haben sie einen kleinen Weg nach ihm benannt“, stellt Nikita Gorbunov fest, „denn Lew Kopelew kam nach Deutschland als lebender Beweis der Aussöhnung. Ich dagegen kam nach Deutschland als sowjetischer Migrant. Ich hatte hier keine Bedeutung. Ich hatte nur eine alleinerziehende Mutter.“
In der Inszenierung von Boglárka Pap wird die Gegenüberstellung der zwei ungleichen Biografien zu einer dicht gestrickten Collage aus Schauspiel, poetischen Texten und Songs. Urgroßvater Lew öffnet dabei die Tür in die Vergangenheit. Die „Löwenkinder“ (der Name „Lew“ heißt auch „Löwe“ auf Russisch) suchen dort nach einer Erklärung für das Leben, das sie erst nach Deutschland spült und dann in einem Netz deutsch-russisch-jüdischer Widersprüche einspannt. Dabei wirft der Abend einen überraschend liebevollen Blick auf die Bundesrepublik und zeigt die kleinen und großen Gefühle im Angesicht der großen und kleinen Geschichte.
Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine ist das Projekt plötzlich aktuell. „Dieser kranke Wahnsinn begann am Tag unserer Generalprobe“, erklärt Nikita Gorbunov, „und wir machen ein Stück über Deutschlands schräges Verhältnis zu Russland und zum Judentum. Da ist erst mal die Sorge um die Freunde und die Familie auf der Flucht. Aber als Deutscher frag ich mich: Wo stehen wir jetzt?“
Wo sein deutscher Urenkel keinen Rat weiß, hätte Lew Kopelew helfen können. Als Friedensaktivist erzählte er unermüdlich von seinem Weg zur Menschlichkeit.
[ TICKETS ] :
VVK (Online): 10€
AK (doors): 15€